Genussfahrten im Hausfrauen-Porsche

PNP stellt die schönsten Oldtimer der Region vor – Ein Karmann-Ghia Cabrio von 1966

Franz Gilg 03.11.2020 | Stand 02.11.2020, 19:28 Uhr

 

Genussfahrten im Hausfrauen-Porsche, PNP stellt die schönsten Oldtimer der Region vor – Ein Karmann-Ghia Cabrio von 1966
Reinhold Kaufmann am Steuer seines Karmann-Ghia Cabrio, den er im Jahr 2002 erworben und dann aufwendig restauriert hat. Der Wagen besitzt jetzt wieder seine Originalfarbe. −Foto: Gilg

Zimmern. Bei den Kaufmanns in Bernatzöd stehen gleich mehrere Oldtimer in der Garage oder unter einem schützenden Dach. Paradestück und Senior unter ihnen ist ein Karmann-Ghia Cabrio, Baujahr 1966. Flott sieht er aus, sportlich. Doch der Schein trügt, denn im Prinzip handelt es sich um ein Auto für Genussfahrer.

Reinhold Kaufmann, 56 Jahre, gelernter Kfz-Mechaniker und Lackierermeister, ist Mitglied bei den Rottaler Oldtimerfreunden und Inhaber einer Kfz-Werkstätte. Sein Vater hatte sich dieses Modell in der Coupé-Variante als erstes Auto gekauft. 1964 war das. "Mein Geburtsjahr. Das Auto kannte ich also von klein auf." Und so etwas vergisst man nicht.

Etwa um die Jahrtausendwende herum reifte in Reinhold Kaufmann die Idee, sich selbst mal so ein Modell als Oldtimer zuzulegen. Durch ein Inserat im Internet wurde er schließlich fündig. In Wiesbaden bot jemand einen Karmann-Ghia an. "Wir fuhren hin, sahen ihn uns an und haben ihn gleich mitgenommen, weil alles gepasst hat." Allerdings war das Cabrio in einem altersgemäßen Zustand – zwar noch fahrbereit, aber immer nur notdürftig soweit zusammengeflickt worden, dass es durch den TÜV kam.

Halbherzig restaurierterRe-Import aus den USAEs handelte sich um ein US-Modell, das in den 1990er Jahren reimportiert wurde und vielen halbherzigen Restaurationsversuchen ausgesetzt war.
Kaufmann hatte den Ehrgeiz, das Auto wieder in einen top Zustand zu bringen. Wie gerade vom Band gelaufen sollte es aussehen – und natürlich in allen Teilen original. Da war es von Vorteil, dass er die Karosseriearbeit von Grund auf richtig gelernt hatte. "Dadurch konnte ich mir hier gut helfen. Es war viel mühevolle Kleinarbeit, denn der Wagen wurde komplett neu aufgebaut."

Im Herbst 2002 begann die Restauration und im Frühjahr 2004 war sie abgeschlossen. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass die Lackierung in Türkis keinesfalls original war. Man hatte den Karmann-Ghia im Laufe der Jahre mehrfach umgespritzt. Schließlich entdeckte der Restaurator unter einem Kotflügel in altdeutscher Handschrift das Wort "kirschrot" – und damit war klar, wie das Cabrio zu Beginn einmal ausgesehen hatte und wie es jetzt wieder aussehen sollte. Kaufmann besorgte sich den passenden Farbton und legte los. "Dieses Rot passt hervorragend zusammen mit den Chromteilen", ist er überzeugt.

Lediglich für die Leder- und Polsterarbeiten benötigte er die Hilfe eines Sattlers, den Rest hat er selbst erledigt. Auch aus dem stillgelegten Auto seines Vaters hat Kaufmann noch ein paar Teile eingebaut, zum Beispiel das herausnehmbare Kofferradio und die Rückleuchten.

Der Motor wurde auf90 PS aufgemotzt. Später wurde noch der Motor aufgemotzt. "Der hatte nur 44 PS und das war mir zu mager. Ich wollte mehr Leistung." Aber einfach einen modernen Motor einbauen, das ging natürlich nicht. Dadurch hätte das Auto nämlich seinen Status als Oldtimer verloren. "Zum Glück fand ich eine Firma, die für historische Fahrzeuge alte Motoren aufbaut. Alle für das H-Kennzeichen nötigen Unterlagen waren vorhanden." Der Motor hat jetzt 1,8 Liter Hubraum und 90 PS. "Er marschiert hervorragend". Laut TÜV schafft der restaurierte Karmann-Ghia Geschwindigkeiten bis 165 km/h. "So richtig ausgefahren bin ich ihn noch nie. Und die Tachonadel geht jetzt ohnehin über die Skala raus." Der Verbrauch auf hundert Kilometer liegt bei neun bis neuneinhalb Liter. Das sei nicht viel für Käfer-Technik.

Denn auch wenn er nicht so aussieht: Der Wagen ist genetisch ein VW-Käfer. Achse, Getriebe, Motor und Bodenplatte sind fast identisch mit diesem Kultauto. Hinten befinden sich der Motor und ein aufmontierter Nostalgie-Reisekoffer aus Leder, vorne ist der geräumige Kofferraum.

Wie gesagt, es handelt sich um kein sportliches Fahrzeug. "Eher um einen Cruiser, ein Komfortauto, ein sehr angenehmes Reisefahrzeug", beschreibt es der Kfz-Meister. Fahren dürfen das Cabrio nur er oder seine Frau Ingrid. "Aber die lässt sich lieber chauffieren. Wir unternehmen meistens Genussfahrten und besuchen Oldtimertreffen. Heuer waren wir mit dem Karmann-Ghia im Urlaub am Wolfgangsee. Eine sehr schöne Reise bei bestem Wetter."

"Unser Karmann ist kein seltenes Stück, aber bei vielen Oldtimertreffen das Fahrzeug der Herzen", erzählt seine Frau. "Die Besucher erinnern sich nur zu gern an den Sekretärinnen-Porsche. Und so entwickeln sich sehr schöne Gespräche und es freut uns immer wieder, wenn uns die Leute ihre Geschichten erzählen. Wir waren öfter in Fürstenfeldbruck zum Concours d‘Elegance eingeladen, eine besondere Auszeichnung, da hier nur wirklich schöne Stücke im Klostergarten präsentiert werden. Letztes Jahr waren wir in Germering beim Oldtimertreffen. Tja, und dieses Jahr kam leider Corona." Doch das sei nicht schlimm, denn selbst bei den privaten Ausflugsfahrten finde man mit diesem nostalgischen Cabrio immer schnell Freunde.

INFODer VW Karmann-Ghia (Typ 14) ist ein Automobil des Volkswagenwerks, das bei Karmann in Osnabrück gebaut wurde. Insgesamt 443466 Stück (362585 Coupés und 80881 Cabriolets) konnte Volkswagen zwischen 1955 und 1974 absetzen. In der Zeit von 1964 bis 1970 wurden jährlich über 30000 Fahrzeuge produziert. 61 Prozent davon verkaufte VW in den USA. Auch wenn der "kleine" Karmann-Ghia in Deutschland oft als "Hausfrauen-Porsche" und "Sekretärinnen-Ferrari" tituliert wurde: Das Auto sieht zwar aus wie ein Sportwagen, war aber mit anfänglich 30 PS (22 kW) und 118 km/h Spitzengeschwindigkeit weit entfernt von sportlichen Rekorden.

Franz Gilg

Franz Gilg